Heute Abend befasst sich Sandra Maischberger mit dem Thema „Hartz IV vor Gericht: Wie hart darf der Sozialstaat sein?“ und das sind die Gäste im Studio.
15 Jahre nach Verabschiedung des Hartz-IV-Gesetzes unter einer rot-grünen Regierung ist die Arbeitslosigkeit auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Trotz solcher Erfolgsmeldungen wollen Grüne und SPD Hartz IV grundlegend ändern.
Die Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger sollen ganz abgeschafft werden, fordert beispielsweise Grünen-Chef Habeck. Und mehr noch: Das Bundesverfassungsgericht stellt das Sanktionssystem auf den Prüfstand.
Sind die Kürzungen am Existenzminimum rechtens? Sind Sanktionen ein notwendiges Druckmittel für Arbeitsvermittler? Oder sollten Bedürftige eine Grundsicherung ohne Bedingungen bekommen?
Die Gäste heute Abend
Robert Habeck (B’90/Grüne, Parteivorsitzender)
“Hartz IV hat bis weit hinein in die Mittelschicht zu Abstiegsängsten geführt”, kritisiert Robert Habeck. Der Grünen-Chef plädiert für einen radikalen Schnitt und will Hartz IV durch eine “Garantiesicherung” ersetzen. Diese sollte für Bedürftige “bedingungslos” sein: “Die Menschen sollen nicht gezwungen werden, Termine mit dem Jobcenter zu machen oder Arbeit zu suchen.” Sanktionen, so der grüne Spitzenpolitiker, passten “eher zu einem bevormundenden Obrigkeitsstaat als zu einer liberalen Demokratie”.
Christian Lindner (FDP, Parteivorsitzender)
Der FDP-Chef verteidigt Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger: “Sozialleistungen ohne die Gegenleistung, sich um Arbeit oder Bildung zu bemühen – das ist nicht fair.” Die Solidarität der Gesellschaft setze immer das Bemühen voraus, sich aus der eigenen Bedürftigkeit zu befreien, unterstreicht Christian Lindner. Die Vorschläge von Habeck nennt der Fraktionsvorsitzende der Liberalen ein “Verarmungsprogramm für unser Land”. Der Grünen-Chef wolle Milliarden Euro zusätzliche Steuereinnahmen eintreiben, “um es denjenigen zu geben, die nicht arbeiten wollen”, beklagt der FDP-Politiker.
Sandra Schlensog (arbeitslose Bürokauffrau)
“Hartz IV ist bereits das Existenzminimum, und es kann nicht korrekt sein, das noch zu kürzen”, sagt die Bürokauffrau. Sandra Schlensog lebt seit fünf Jahren von Hartz IV und fordert die Abschaffung aller Sanktionen. “Diese sind entwürdigend. Druck, Sanktionen, Angezweifelt-Werden, das macht krank.” Die wenigen Menschen, die nicht arbeiten wollen oder können, solle man in Ruhe lassen, so die Hartz-IV-Aktivistin. “Dafür sind wir ein Sozialstaat”. Die 40-jährige Mutter sorgte 2018 für Aufsehen, als sie in einer Online-Petition den CDU-Politiker Spahn aufforderte, selbst einen Monat von Hartz IV zu leben.
Bettina Becker (Arbeitsvermittlerin)
“Oft sind Sanktionen das letzte Mittel, das ich habe, um die Leute an meinen Tisch zu kriegen”, erklärt die Mitarbeiterin des Jobcenters Gelsenkirchen. Ihr Ziel sei es schließlich, ihre Kunden wieder in Arbeit zu bringen. “Das geht aber nur, wenn die Leute persönlich zu mir kommen”, so die 57-Jährige. Seit 40 Jahren arbeitet Bettina Becker in der Arbeitsvermittlung. Nirgendwo im Land ist die Hartz-IV-Dichte höher als in Gelsenkirchen. “Bei 90 Prozent der Menschen, die ich sanktioniere, wiederholt es sich”, berichtet die Jobvermittlerin. “Viele haben sich schon selbst abgeschrieben.”
Kevin Falke (Hartz-IV-Empfänger)
Seit vier Jahren bezieht Kevin Falke Arbeitslosengeld. Mehrfach wurde er sanktioniert, da er Fortbildungen abbrach und bei Arbeitsstellen nach kurzer Zeit fristlos entlassen wurde. “Wenn Arbeit keinen Spaß macht, hat das für mich keinen Sinn”, sagt der 23-Jährige. Die Sanktionen hält er für ungerecht. Obwohl der Hartz-IV-Empfänger zahlreiche Bewerbungen schrieb, sieht er für sich momentan keine Chance auf ein Ende von Hartz IV. “Meiner Sachbearbeiterin bin ich egal, geholfen haben die mir noch nicht.” Der 25-Jährige hofft, eines Tages nicht mehr auf staatliche Hilfe angewiesen zu sein.
Elisabeth Niejahr (Journalistin)
Die Chefreporterin der “Wirtschaftswoche” hält es für notwendig, dass die Verfassungsrichter die Hartz-IV-Sanktionen prüfen. “Es muss geklärt werden, ob das Existenzminimum wirklich eingeschränkt werden darf”, sagt Elisabeth Niejahr. Dabei hält sie das Prinzip von Fordern und Fördern weiterhin für wichtig, um die Akzeptanz in der Bevölkerung aufrechtzuerhalten. “Es gibt kein Recht auf dauerhafte Sozialleistungen ohne eigene Anstrengungen”, sagt die Wirtschaftsjournalistin. Sie schlägt allerdings vor, statt finanzieller Kürzungen als Sanktion einen Teil der Unterstützung in Sach- statt Geldleistungen zu vergeben.
Wiederholungen der Sendung
Do, 17.01.19 | 00:20 Uhr | WDR
Do, 17.01.19 | 02:15 Uhr | Das Erste
Do, 17.01.19 | 08:05 Uhr | WDR
Do, 17.01.19 | 21:02 Uhr | tagesschau24
Fr, 18.01.19 | 02:35 Uhr | MDR
Sa, 19.01.19 | 04:40 Uhr | SWR RP
Sa, 19.01.19 | 23:45 Uhr | 3sat
“Maischberger” heute Abend um 22:55 Uhr in der ARD
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