Moderator Marcel Schenk trifft regelmäßig das Ensemble der ARD-Kultserie zum Gespräch. Und hier kann alles nachgelesen werden. Folge 1: Andrea Spatzek als “Gabi Zenker”.
Marcel Schenk: Ich hatte eine gewisse Vorfreude auf dieses Gespräch, denn ich finde die Stimme so klasse. Eine warme Stimme, liebevoll und irgendwie mit dem gewissen “Heimatgefühl”. Also eine Stimme, die viel öfter ins Radio müsste: Hallo, Andrea Spatzek!
Andrea Spatzek: Ach, das ist aber lieb. Vielen Dank, Dankeschön. Hallo.
Marcel Schenk: Mehr als 30 Jahre vor der Lindenstraße-Kamera stehen, seit Folge 1 dazugehören. Wie fühlt es sich da an, wenn Menschen sagen “Ich bin mit Gabi Zenker via Fernseher aufgewachsen”?
Andrea Spatzek: Ja es ist schon schön natürlich. Aber man denkt dann auch “okay, mit mir aufgewachsen, also bin ich ja noch älter, als die Person die mir da gerade gegenüber steht”. Aber es ist, speziell in unserer Branche, nicht alltäglich über Jahrzehnte eine Rolle verkörpern zu dürfen. Ich freue mich, wenn es den Zuschauern gefällt und sie mich gerne sehen.
Marcel Schenk: Nach so einer langen Zeit, gleicht man sich da seiner Rolle etwas an? Bekommt Gabi nach und nach mehr von der privaten Andrea – oder umgekehrt?
Andrea Spatzek: Wenn dann Gabi mehr von mir. Es ist ja so, dass die Rollen von unseren Autoren auch in gewisser Art auf die Schauspieler abgestimmt sind. Also schreibt man die Gabi für mich so, wie die Zuschauer sie seit 1985 kennen. Für eine andere Schauspielerin wäre Gabi vielleicht in einigen Dingen etwas anders geschrieben worden. Aber es stimmt schon, man gibt als Schauspieler immer auch einen Teil von sich selbst in eine Rolle und so ist da immer auch ein Stück “Privates” drin.
Marcel Schenk: Gibt es immer noch das Gefühl von Lampenfieber bevor ein Dreh beginnt? Oder ein Ritual zum Konzentrieren, bevor es losgeht mit dem Dreh?
Andrea Spatzek: Ich weiß nicht, ob man es Lampenfieber nennen kann. Sicherlich geht man, wenn der Dreh beginnt, sehr konzentriert ans Werk und in der direkten Zeitspanne vor dem Dreh gehe ich nochmal gedanklich die nächsten Bilder durch und überprüfe meinen Text. So bin ich gut gewappnet für den Dreh. Wir haben in den Szenen ja mehr als eine Kamera im Einsatz und so muss jede Szene mehrmals aus verschiedenen Perspektiven gedreht oder auch nachgedreht werden. Da muss man auf vieles achten, wie man seine Hand hält z.B. – Und es geht natürlich auch mal etwas schief. Aber wir wissen dann, dass es genügend Zeit gibt, diese Szene nochmal neu zu drehen. Anders wäre das bei Szenen mit unseren Kinder-Darstellern. Die dürfen nur eine bestimmte Zeit drehen und da müssen die Szenen natürlich dann noch perfekter sitzen – im Idealfall direkt zu Beginn.
Marcel Schenk: Wie lernt man über so viele Jahrzehnte immer neue Texte? Wie bekommt man tausende Sätze in den Kopf?
Andrea Spatzek: Meist lernt man die Texte für den nächsten Drehtag oder die nächsten Tage. Und danach hat man die dann auch meist wieder vergessen im Wortwörtlichen. Aber es ist durchaus mehr als reiner Text: Ich lerne z.B. auch welche Bewegung Gabi gerade macht, während sie spricht. Geht sie durch den Flur, oder schaut sie links aus dem Fenster. Dann weiß ich, beim nach Linksschauen sagt sie dies, und wenn sie sich danach zur Wohnungstür dreht, sagt sie das. Auch das hilft.
Marcel Schenk: Gabi hat in der Serie viel er-und auch durchlebt. Ihr erster Mann Benno starb an AIDS, Sohn Maxl wurde von einem Kinderschänder entführt und später ermordet. Gabi selbst verunfallte und war danach lange Zeit taub – was sie auch schwer traf. In so schweren Zeiten braucht man Halt und Kraft. Beides bekommt Gabi in der Serie von ihren Freunden und durch ihren Glauben. Nun ist der Glaube in Fernsehserien, abseits der Nonnen- oder Pfarrersfamilien, nicht mehr allzu verbreitet. Ist Gabi da im Glauben ein “Fels in der Brandung”?
Andrea Spatzek: Ja ich denke schon, dass dies auch so beabsichtigt war und ist, Gabi auch in ihrem gefestigten Glauben zu zeigen. Viele Menschen ziehen daraus ja auch Hoffnung – und da finde ich schön, dass dies auch in der Lindenstraße einen festen Platz hat.
Marcel Schenk: Wie wichtig ist der Glaube im Privaten?
Andrea Spatzek: Ich denke schon, dass mit dem Tod nicht einfach alles zu Ende ist, dass wir von Tag X bis Tag Y nun 70,80,90 Jahre leben und dann war es das einfach. Nein, da wird schon etwas sein. Was genau, dass weiß niemand. Aber Glaube kann Kraft schenken. Das ist schön.
Marcel Schenk: Welcher Lindenstraße-Moment, im Idealfall ein selbst gedrehter, bleibt unvergessen?
Andrea Spatzek: Da muss ich auch direkt wieder an die Zeit denken, als mein Seriensohn Maxl verschwunden war. Gabi hatte damals ja Phil Seegers in Verdacht und da gab es eine Szene, da flippt Gabi richtig aus und macht Phil schwerste Vorhaltungen. Um Gabi zu bremsen, sollte Phil mir dann eine Ohrfeige geben. In der Probe ging auch alles glatt. Aber beim eigentlichen Dreh stand er irgendwie einen halben Schritt zu dicht vor mir, zu nah bei mir – ich weiß es nicht mehr so genau – aber auf jeden Fall wurde durch den Abstand aus der schauspielerisch-angedeuteten Ohrfeige doch eine “echte” und wir waren alle so “baff” in dem Moment. Es war schon auch witzig, aber diese unvorhersehbaren Dinge, die bleiben in Erinnerung. Abseits von diesem doch lustigen Zwischenfall erinnere ich mich aber auch sehr genau an die Szene, als Gabi ihren toten Sohn Maxl in der Pathologie identifizieren soll und diesen Gang bis zur Tür, hinter der er liegt, geht. Da musste ich mich als Andrea schon sehr zusammenreißen, das ging mir innerlich so nah diese Szene. Da hätte ich sonst stundenlang weinen müssen. Aber auch hier muss ich sagen, dass dies wunderbare Szenen für einen Schauspieler sind. Szenen, die auch fordern. Das bleibt mir unvergessen.
Marcel Schenk: Wenn man über 30 Jahre für eine Serie vor der Kamera steht, bleibt es nicht aus, dass viele andere Charaktere, mit denen man über eine gewisse Zeit gemeinsam dreht, die Serie wieder verlassen. Bleibt man dennoch auch nach dem Ausstieg dann weiter in Kontakt oder ist das nicht möglich in diesem Job?
Andrea Spatzek: Doch, mit einigen hat man danach schon noch Kontakt. Manchmal ist aber einfach auch die räumliche Distanz ein Grund dafür, dass man sich weniger häufig sieht. Es gibt auch Freundschaften, die über eine Serienrolle hinaus Bestand haben. Und wenn ich frei habe und mit dem Auto unterwegs bin, dann plane ich auch bewusst einmal den einen oder die andere zu besuchen, wenn es auf dem Weg liegt.
Marcel Schenk: So viele Jahre mit Jo Bolling gemeinsam vor der Kamera als Ehepaar Gabi und Andy. Ich finde einfach, ihr passt perfekt zusammen. Ist es vielleicht wirklich so, dass man nach so vielen Jahren gemeinsamer Arbeit die Macken des Anderen in- und auswendig kennt?
Andrea Spatzek: Ja, also der Jo und ich wir harmonieren wirklich wunderbar und ich denke schon, dass ich merke, wenn er mal nicht ganz so gut drauf ist. Aber da kann ich mich dann drauf einstellen und eigentlich ist Jo immer gut drauf. Es macht Spaß mit ihm zu arbeiten und wir sind ein gutes Fernseh-Ehepaar.
Marcel Schenk: Welche Frage wurde noch nie in einem Interview gestellt? Jetzt wäre die Chance, diese auch direkt zu beantworten.
Andrea Spatzek: Ach herrje, also da müsste ich länger überlegen. Sicherlich gibt es Fragen, die bisher in Interviews noch nicht gestellt wurden. Aber da fällt mir jetzt nichts ein spontan.
Marcel Schenk: Wie muss ein freier Tag idealerweise aussehen oder ablaufen, damit er “perfekt” wird?
Andrea Spatzek: Also, da ich seit vielen Jahren Golf spiele, würde ich mir dann wünschen, es wäre ein richtig schön-sommerlicher Tag und ich habe Zeit und Muße zum Golfen. Und ein gutes Handicap. Das wäre ein schöner, freier Tag.
Marcel Schenk: Danke für die Zeit, danke Andrea Spatzek.
Andrea Spatzek: Vielen Dank, sehr gerne. Dankeschön.
Rolle: Gabriele “Gabi” Zenker
In der Serie seit: Folge 1 (1985)
Andrea Spatzek wurde 1959 in Salzburg (Österreich) geboren und lebt inzwischen in Köln.
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